EPP-Omnibus unter Beschuss | S&D schlägt faktenbasierte ESG-Reform vor | Renew will Kategorie „mittelgroß“ einführen | Grüne gegen Tier-1-Fokus & hohe Schwellenwerte |
Kaum hat man sich an die Idee eines „vereinfachten Europas“ gewöhnt, wird’s auch schon wieder komplex: Der Omnibus wird auseinandergenommen – diesmal nicht nur von NGOs, sondern gleich reihenweise aus dem Parlament. S&D bringt faktenbasierte Gegenvorschläge, Renew bastelt an neuen Unternehmensklassen, die Grünen erinnern an so etwas wie Sorgfaltspflicht – und die EPP schaut beim Schwellenwert-Hochschrauben weiter unbeirrt in Richtung Entkopplung von Realität und Risiko.
“Lange nichts von der TaxonomieVO gehört?” - Fast. Es wurde fast langweilig, aber jetzt gibt es auch Neuigkeiten rund um die Handhabung der Taxonomie.
Zwischendurch meldet sich das BAFA zurück aus der Sommerpause – mit frischem Erkundungsdrang, neuen LkSG-Prüfwellen und der Erkenntnis: Tier-1-Fokus? Eher nicht. Green Claims? Kommt. Oder auch nicht. Vielleicht. Vielleicht später.
Aber der Reihe nach…
Vorab ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Wenn du dich mit den regulatorischen Änderungen oder generell einem Rechtskataster im Alltag beschäftigst, könnte dies vielleicht ganz spannend sein: Ein Rechtskataster, das endlich mitdenkt
EU-Taxonomie: Vereinfachung nimmt Form an
Die EU-Kommission hat den vereinfachten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung vorgelegt. Ziel: Entlastung durch Klarheit.
Für Unternehmen gilt künftig:
– Nur noch wirtschaftlich wesentliche Aktivitäten (≥ 10 % von Umsatz, CapEx oder OpEx) prüfen
– OpEx-Berichte entfallen, wenn nicht wesentlich
– 64 % weniger Datenpunkte für Nichtfinanzunternehmen
Für Finanzinstitute:
– Green Asset Ratio wird vereinfacht
– 89 % weniger Berichtspflichten
– Zwei Jahre Übergangsfrist für vollständige KPIs
Auch die DNSH-Kriterien wurden vereinfacht – insbesondere bei Chemikalien.
📅 Gültig ab 1. Januar 2026 – freiwillige Anwendung schon 2025 möglich.
Jetzt liegt der Ball bei Parlament und Rat.
Ombudsfrau warnt vor Schnellschuss beim Omnibus
EU-Ombudsfrau Teresa Anjinho warnt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ausdrücklich davor, die Omnibus-Vereinfachungen im Eiltempo durchzudrücken – ohne ausreichende rechtliche Absicherung.
Der zentrale Punkt: Vereinfachung an sich ist kein Problem. Problematisch werde es dann, so Anjinho, „wenn man dieser Vereinfachung Dringlichkeitsverfahren anhängt, die von den normalen Gesetzgebungsverfahren abweichen.“ Zum Omnibus sagte sie: „Die Wahrnehmung ist, dass Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten bestehender Verfahren und Gesetze priorisiert wird – und dass Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden.“ Besonders kritisch: der Verzicht auf Folgenabschätzungen. Diese seien nur in Ausnahmesituationen zulässig. Und selbst wenn Verfahren langwierig seien, „existieren sie, um Fairness zu gewährleisten“.
Breiter Widerstand gegen EPP-Entwurf zum Omnibus im Parlament
Der EPP-Vorschlag zum Omnibus trifft im EU-Parlament auf deutlichen Widerstand. Änderungsanträge von S&D, Renew und Greens/EFA zeigen: Bei CSRD-Schwellenwerten, Klimaplänen und der Tier-1-Beschränkung der CSDDD liegen die Positionen weit auseinander.
Lara Wolters und die S&D-Fraktion fordern eine faktenbasierte Nachjustierung:
👉 CSRD: Volle Berichtspflichten erst ab 500 MA; vereinfachte Anforderungen für kleinere Unternehmen; Öffnung des Prüfmarkts; risikobasierter Umgang mit Lieferkettendaten.
👉 CSDDD: Fokussierung auf Tier-1-Lieferanten; klare Trennung bei schwerwiegenden Verstößen; kein EU-weiter Haftungsautomatismus.
Ziel: Weniger Symbolpolitik, mehr Umsetzbarkeit – ohne die Substanz zu verlieren.
Renew schlägt zudem eine neue Kategorie „mittelgroße Unternehmen“ (500–1000 MA) vor – ein Schritt in Richtung mehr Proportionalität, wie ursprünglich von Draghi gefordert. Die Grünen plädieren für sektorspezifischere Anforderungen und eine Absenkung der Mitarbeiterschwelle. Auch die Pläne zur Einschränkung von Klimapflichten stoßen auf Kritik.
Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Die Verhandlungen starten am 15. Juli.
Neues vom BMAS & BAFA zum Lieferkettengesetz (LkSG)
Das BAFA informiert im Rahmen seiner IHK-Roadshow (Juni 2025) über den aktuellen Stand rund ums LkSG:
Neues LkSG-Gesetz soll im Juli im Entwurf vorliegen und gilt voraussichtlich weiter, bis die CSDDD greift – also wohl nicht vor 2029. Eine vollständige Abschaffung ist nicht geplant.
Ende Juni startete eine neue Welle von Auskunftsersuchen, u. a. zur Risikoanalyse und Grundsatzerklärung – mit modifizierten Fragen im Vergleich zum November.
Mitarbeiterzahlen bleiben ein zentrales Kriterium in der BAFA-Praxis.
Aktueller BAFA-Zwischenstand: 1456 Kontrollen, 409 Beschwerden, 1037 Berichte, 22 Bußgeldverfahren.
Die BAFA äußert Skepsis gegenüber zu pauschal risikobasierten Ansätzen der Unternehmen.
In der CSDDD spricht sich das BAFA gegen eine reine Tier-1-Fokussierung aus – bevorzugt wird ein risikobasierter Ansatz.
Weitere Tools oder Hilfsmittel (z. B. kritische Länderlisten, Musterklauseln) will die BAFA nicht veröffentlichen – sie sieht ihre Rolle in Aufsicht und Orientierung, nicht in Standardisierung.
Fazit: Das LkSG bleibt bis auf Weiteres relevant – und wird wieder deutlich aktiver geprüft.
ESRS-Vereinfachung: EU-Kommission gewährt Fristverlängerung bis 30.11.
Die Europäische Kommission hat EFRAGs Antrag auf Fristverlängerung zugestimmt: Die überarbeiteten ESRS sollen nun bis 30. November vorliegen – mit einer 60-tägigen Konsultationsphase von Ende Juli bis Ende September.
Kommissarin Albuquerque hat in ihrem Schreiben an EFRAG zudem klare Leitlinien mitgegeben:
1️⃣ Keine neuen verpflichtenden Datenpunkte, keine Aufwertung freiwilliger Angaben zu Pflichtinhalten
2️⃣ Kürzer, klarer, konsistenter – Wiederholungen vermeiden, Lesbarkeit erhöhen
3️⃣ Vereinheitlichung freiwilliger Angaben und Leitlinien
4️⃣ Nur Begriffsänderungen mit Vereinfachungseffekt zulassen
5️⃣ Relevante, strategisch fokussierte Berichte – kürzer als Wave-1-Berichte
6️⃣ Interoperabilität mit ISSB zur Vermeidung von Doppelberichterstattung
Klar ist: Wave-1-Unternehmen müssen 2025 noch mit den bisherigen ESRS berichten.
Die überarbeiteten Standards gelten voraussichtlich erst ab dem Geschäftsjahr 2026.
Wirtschaft appelliert an EU: Vereinfachung ja – aber mit Substanz
Rund 200 Unternehmen, Investoren und Organisationen – darunter Allianz, IKEA und EDF – haben ein gemeinsames Statement zum Omnibus veröffentlicht. Die zentrale Botschaft: Regulatorische Vereinfachung darf nicht zur inhaltlichen Entkernung führen.
Konkret fordern die Unterzeichnenden:
▶️ CSRD-Schwelle bei 500 MA, für Kohärenz im EU-Recht
▶️ Vereinfachte ESRS, aber unter Beibehaltung der doppelten Materialität
▶️ Risikobasierte Sorgfaltspflicht nach UNGP
▶️ Klimapläne beibehalten – mit realistischem Umsetzungsansatz
▶️ Keine Blockade durch Value Chain Caps, um Infoaustausch zu ermöglichen
Leseempfehlungen
Übrigens: Immer mehr ESRS Berichte werden öffentlich
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Übrigens: Immer mehr VSME Berichte werden öffentlich
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